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DTB News

Auszeichnung für Bundesstützpunkt Mannheim

07.12.2020 16:17

Große Freude am Bundesstützpunkt der Turnerinnen in Mannheim über den mit 2.500 Euro dotierten Preis der Robert-Enke-Stiftung.

Turnerinnen der TG Mannheim | Bildquelle: TG Mannheim
Turnerinnen der TG Mannheim | Bildquelle: TG Mannheim

Robert Enke war ein sehr erfolgreicher Bundesligatorwart bei Hannover 96 und achtmaliger Nationaltorhüter. Trotz des Erfolges litt er über mehrere Jahre an Depressionen und nahm sich am 10. November 2009 das Leben. Er hinterließ seine Ehefrau Teresa und eine acht Monate alte Tochter. Sein Tod hat tiefe Betroffenheit und großes Mitgefühl in der Bevölkerung und Sportwelt ausgelöst. Die Krankheit Depression wurde durch seinen tragischen Tod in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt.

2010 wurde die Robert-Enke-Stiftung gegründet. Der Förderpreis der Robert-Enke-Stiftung zeichnet Projekte, Maßnahmen und Konzepte von Nachwuchsleistungszentren, Olympiastützpunkten, Sportinternaten oder -vereinen aus, die sich im Hinblick auf die Prävention, Diagnostik oder Behandlungsstruktur für eine nachhaltige Auseinandersetzung mit der seelischen Gesundheit im Nachwuchsleistungssport eingesetzt haben.

„Für den Bundesstützpunkt in Mannheim ist die Auszeichnung eine ganz besondere Würdigung, mit der wir kaum gerechnet haben“, so Joachim Fichtner, Vorstand Sport des Trägervereines Turngemeinschaft Mannheim. Aber auch Cheftrainerin Alina Korrmann sowie Sportpsychologin Laura Giessing waren sehr überrascht. Schließlich zählen zu den bisherigen Preisträgern vor allem größere Leistungszentren in Sportarten mit größerer öffentlicher Aufmerksamkeit, z.B. die Flensburger Handball-Akademie als Erstplatzierter in diesem Jahr. Diese Auszeichnung für den Mannheimer Stützpunkt und der dritte Platz sind daher eine wichtige Bestätigung, dass die Verantwortlichen auf dem richtigen Weg in die Zukunft sind.

Auch im DTB hat sich seit dem vergangenen Jahr in diesem Bereich viel getan, in jede*r olympischen Sportart ist ein Sportpsychologe oder eine Sportpsychologin fest verankert worden. In Zusammenarbeit mit der DSHS Köln und Projektleitung Dr. Jeannine Ohlert wurden Befragungen zur Sportpsychologie unter den Athlet*innen und Trainer*innen des Bundeskaders durchgeführt. Auf diesen Befragungen aufbauend soll Anfang 2021 eine ganzheitliche, sportpsychologische Konzeption für den Verband entwickelt werden – neben den Befragungen und Literaturrecherchen von Dr. Jeannine Ohlert (DSHS) wird hierbei auch das Konzept von Laura Giessing dabei helfen, für den DTB eine innovative und zukunftsweise, sportpsychologische Konzeption zu erstellen.   

Mannheim geht neue Wege
Der Mannheimer Bundesstützpunkt ist bestrebt, sich stetig weiterzuentwickeln. Daher sind die Verantwortlichen stolz, mit Alina Korrmann eine junge Cheftrainerin verpflichtet zu haben, die offen für neue Wege ist und diese auch professionell vorantreibt. Außerdem wurde mit Marcus Menne über den Badischen Turnerbund ein Standortmanager installiert, der sich um die Belange der Kaderturnerinnen außerhalb der Halle kümmert und sich somit zu einem wichtigen Ansprechpartner für Athletinnen und Eltern entwickelt hat. Zudem steht er regelmäßig im direkten Austausch mit dem Deutschen Turner-Bund und anderen wichtigen Verbandsinstitutionen.

Sportpsychologie in und außerhalb der Trainingshalle
Laura Giessing kennt inzwischen die Gemütslagen der Turnerinnen in der LZ-Halle im Mannheimer Pfeifferswörth. Seit Januar 2019 betreut sie die Bundeskaderturnerinnen (ab 11 Jahre) und teilweise auch jüngere Landeskaderturnerinnen am Leistungszentrum. Zusammen mit Cheftrainerin Alina Korrmann hat sie ein Konzept ausgearbeitet mit den Schwerpunkten "Schaffen eines wertschätzenden, lernförderlichen Klimas“, „Stärkung der Selbstfürsorge und Selbstregulation“, und „Stärkung der sportlichen Leistung“. Die sportpsychologische Arbeit umfasst dabei nicht nur die Athletinnen, sondern schließt auch alle Trainer*innen und Übungsleiter*innen mit ein.

Einmal pro Woche, bei Bedarf auch öfter, besucht Laura Giessing das Training, beobachtet die Mädchen, signalisiert ihnen Gesprächsbereitschaft und erarbeitet mit ihnen in Kleingruppen oder in Einzelarbeit Techniken, um den hohen Anforderungen im Leistungssport gerecht zu werden. „Anfangs ging es darum, ihnen zu erklären, was sie erwartet und was Sportpsychologie überhaupt ist. Im Gegensatz zu vielen Erwachsenen waren sie unvoreingenommen. Wichtig ist es, komplexe Zusammenhänge bildhaft darzustellen und dann konkrete Techniken an die Hand zu geben, die sie direkt umsetzen können“, sagt Laura Giessing.

Doch Laura Giessing zielt in ihrer Arbeit nicht nur darauf ab, zum richtigen Zeitpunkt eine optimale Leistung abrufen zu können. Ihr Ansatz greift tiefer. Sie will bei ihren Schützlingen ein Bewusstsein für die eigenen Bedürfnissen schaffen und so die Selbstfürsorge stärken. Sie sollen erkennen, wie wichtig der Wechsel von Belastung und Erholung ist; wie wirksam auch kleine Pausen sind und was ihre Erholung unterstützt. „Die Trainingsumfänge der Mädchen sind mit häufig mehr als zwanzig Stunden in der Woche sehr hoch. Sie müssen ständig neue Elemente und Techniken lernen, viele erfordern anfangs Mut“, ist ihr zudem die Angstüberwindung ein Anliegen. „Ich lasse die Mädchen auch mal während des Trainings stille Selbstgespräche führen. Dadurch lernen sie die Dinge, die sie mögen oder stören, zu verbalisieren. Es geht dabei darum, ein Bewusstsein für die eigenen Gedanken zu schaffen und wie sie sich auf das Verhalten auswirken.

Sportpsychologie im DTB: Aktueller Stand und Entwicklungsperspektiven
Im Deutschen Turner-Bund sind in allen vier Nationalmannschaften Sportpsychologinnen und Sportpsychologen fest verankert, Moritz Anderten im Gerätturnen weiblich, Markus Flemming im Gerätturnen weiblich, Dr. Karla Graf in der Rhythmischen Sportgymnastik und Birgit Prinz im Trampolinturnen. Zudem erweitern Dr. Gaby Bußmann und Werner Mickler das Team, sie sind übergreifend ansprechbar für die Bundestrainer*innen, sowie bei Notfällen und Psychischen Erkrankungen. Das Team wird hauptamtlich von Dr. Kathrin Staufenbiel (DTB) unterstützt, die ebenfalls auf viel Erfahrung als Sportpsychologin zurückblicken kann. Dr. Kathrin Staufenbiel leitet Intervisionen unter den Sportpsycholog*innen und ist sowohl für die Bundestrainer*innen als auch das sportpsychologische Team ansprechbar.

Im kommenden Jahr soll die sportpsychologischen Rahmenkonzeption umfassend weiterentwickelt werden. Ziel ist, dass neben der Leistungssteigerung, auch das Wohlbefinden und die Persönlichkeitsentwicklung der Athlet*innen und Trainer*innen in den Blick genommen werden. Innovativ wird der ganzheitliche Blick sein, da die sportpsychologische Betreuung in den Nationalmannschaften mit der Aus- und Fortbildung der Trainer*innen und dem Wissenschaftsmanagement im Bereich Sportpsychologie verzahnt wird.

Als Grundlage für die Konzeption dienen zum einen die Recherchen und Befragungen in den Nationalmannschaften vom Projektteam um Dr. Jeannine Ohlert (DSHS), welche im Rahmen eines Serviceforschungsprojekts des Bundesinstituts für Sportwissenschaft in diesem Jahr durchgeführt wurden sind. Zum anderen werden die Sportpsycholog*innen aus den Nationalmannschaften in die Erarbeitung einbezogen. Nicht zuletzt sind Best Practice Beispiele wie das von Laura Giessing eine wichtige Grundlage.