Wie können sich Vereine und Verbände diverser und diskriminierungsfreier entwickeln? Dieser Frage stellten sich vier Expert*innen der Podiumsrunde zu Diversität und Demokratie, die am zweiten Turnfesttag auf der Turnfest-Dialogbühne in der Glashalle der Leipziger Messe diskutierten.
Impulse zum Auftakt: Mehr Inklusion, mehr Diversität
Für den Einstieg in das Thema sorgte Professor Dr. Lorenz Narku Laing (Professor für Sozialwissenschaften und Rassismusforschung) mit einem ausführlichen Impulsvortrag, in dem er eindringlich für mehr Inklusion, mehr Diversität und die Notwendigkeit, den Sport für alle zugänglich zu machen, plädierte. Dabei berichtete er immer wieder auch anschaulich von seinen eigenen Erfahrungen, die ihm diese Thematik zu einem persönlichen Herzensthema werden ließen. Laing schilderte, wie Sport gerade für Menschen, die Ausgrenzung erfahren, zu einem Ort der Annahme und des „Ernstgenommenwerdens“ werden kann. „Sport kann den Menschen helfen, ein Zuhause zu finden." Es gilt, sich dem Rassismus entgegenzustellen. "Es reicht nicht aus, kein Rassist zu sein. Wir müssen Antirassisten sein“, zitierte Professor Dr. Laing den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier.
Diskriminierung trotz inklusivem Selbstbild
Doch längst sind nicht alle Vereine und Verbände so weit. Obwohl viele Sportvereine ein inklusives Selbstbild propagieren, findet noch immer viel zu viel Diskriminierung im Sportalltag statt. Laing berichtete von Schwierigkeiten bei der Anmeldung seiner Kinder zum Kinderturnen aufgrund seines Namens und von rassistischen Beleidigungen. Sportvereine müssen sich der Realität stellen und den demografischen Wandel im Blick behalten, um zukunftsfähig zu bleiben. Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund und von Menschen, die sich als LGBTQI+ identifizieren, steigt stetig.
Herausforderungen und Chancen der Vielfalt im Sport
Im Anschluss zeigten Dr. Christian Frenzel (Sprecher der Landesturnverbände im Präsidium des DTB) und Lina Mitschke (Projektleiterin beim Dachverband der Migrant*innenorganisationen Ostdeutschland) die Herausforderungen und Chancen von Diversität im Sport auf. Trotz vieler positiver Beispiele an Projekten und Initiativen wurde im Laufe des Gesprächs deutlich, dass noch sehr viel zu tun ist, um den Sport wirklich für alle zugänglich zu machen. Dr. Frenzel sieht den DTB auf einem guten Weg und unterstreicht: „Wenn wir das nicht hinkriegen – wer dann?“
Rassismus im Spitzensport: Ergebnisse aus der Forschung
Prof. Dr. phil. Ilse Hartmann-Tews, Professorin für Soziologie und Genderforschung, bereicherte die Diskussion mit Erkenntnissen aus der laufenden Studie zu Rassismus im Spitzensport, welche sie aktuell leitet. Dabei legte sie den Finger noch einmal in die Wunde: „Verbände geben immer noch nicht offen zu, dass Rassismus ein Problem ist. Da hört man: ‚Nö, wir haben keinen Rassismus!‘ Auch Trainer sagen: ‚Das gibt es bei uns nicht.‘“
Fünf Handlungsempfehlungen für mehr Vielfalt im Sport
Es ist Zeit für eine strukturelle Veränderung. Prof. Dr. Laing hat dafür konkrete Handlungsempfehlungen:
- Es braucht eine bessere Qualifikation von Übungsleitenden und Vorständen im Umgang mit Diskriminierung.
- Vereine müssen aktiv auf neue Zielgruppen zugehen und Angebote schaffen, die die Bedürfnisse unterschiedlicher Menschen berücksichtigen.
- Förderinstrumente zur Finanzierung von Diversity-Projekten sollten genutzt werden.
- Die Vernetzung mit Organisationen, die Antidiskriminierungsarbeit leisten, sollte gestärkt werden.
- Es sollte offen über Diskriminierung gesprochen werden – entscheidend für einen Kulturwandel im Sport ist eine Sensibilisierung für unterbewusste Mechanismen der Diskriminierung.
Was Vereine mitnehmen können? Aktiv für Vielfalt eintreten
Der Appell an die Zuhörer*innen lautete, sich aktiv für Diversität und Inklusion einzusetzen und die vorhandenen Fördermöglichkeiten zu nutzen. Sportvereine sollten in puncto Diversität selbstbewusster handeln und dies auch nach außen tragen.