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Sprossenwand - Magazin im DTB

Das Studium als Erfolgsweg

12.09.2005 17:22

– die Teamkollegen als Konkurrenz Trampolin WM: Interview mit Titelverteidiger Henrik Stehlik

Henrik Stehlik ist der deutsche Hoffnungsträger bei den vom 12. – 18. September im niederländischen Eindhoven stattfindenden Trampolin-Weltmeisterschaften.

Der Titelverteidiger und Bronzemedaillengewinner von Athen hat sich parallel zu seinem Studium pünktlich zur WM in Topform gebracht. Der DTB-Pressedienst sprach mit ihm vor dem Turnier.

Frage: Als Weltmeister in eine WM zu gehen, bedeutet eigentlich auch Favorit für die kommenden Titelkämpfe zu sein. Wo sehen Sie sich auf der Liste der Titelanwärter?

Stehlik: „Die Vorbereitung ist hervorragend gelaufen und die Titelverteidigung spornt mich zusätzlich an. Auch die Weltcups sind in diesem Jahr sehr gut gelaufen. Ich denke, die stärkste Konkurrenz kommt mit aus Deutschland und Russland, außerdem aus Japan und China.“

Wen sehen Sie in der eigenen Mannschaft als stärksten Konkurrenten?

Stehlik: „Im Prinzip alle - wir sind 2003 in Hannover mit der Mannschaft Weltmeister und im vergangenen Jahr Europameister geworden. Wir gehören auch jetzt wieder zu den Favoriten. Eine Weltklasse-Mannschaftsleistung setzt sich immer auch aus Weltklasse-Einzelleistungen zusammen und da haben alle aus der Mannschaft das Potenzial, ins Einzelfinale zu turnen.“

Worin unterscheiden sich die Konkurrenten aus Japan und China? Turnen sie Elemente, die im deutschen Team noch niemand beherrscht?

Stehlik: „Die chinesischen Trampolinturner unterscheiden sich turnerisch durch etwas höhere Schwierigkeitsgrade. Die Japaner haben hingegen eher eine gute Haltung und einen guten Ausdruck, sie liegen in der Schwierigkeit etwas unter uns. Wir sind strukturell auf keinen Fall im Nachteil.“

Was ist konkret der Unterschied zu den Chinesen?

Stehlik: „Wir versuchen, mehr über Technik und Ausstrahlung zu arbeiten, die Chinesen mehr über den Schwierigkeitsgrad. Die Chinesen haben sich im Trampolin sehr schnell entwickelt, wir haben hingegen schon eine länger Konzeption. Unser Plus ist, dass wir mit einer gewissen Leidenschaft in die Wettkämpfe gehen.“

Sie studieren politische Wissenschaften, Geschichte und Literatur und betreiben parallel Spitzensport. Wie groß ist der Nachteil, beispielsweise gegenüber den Chinesen oder ihren Teamkameraden, die bei der Bundeswehr trainieren und sich somit ausschließlich auf den Sport konzentrieren können?

Stehlik: „Ich weiß nicht, ob das unbedingt ein Nachteil ist. Gerade an meinem Beispiel wird sehr deutlich, dass man große Kraft daraus schöpfen kann, wenn man zwei verschiedene Lebensbereiche miteinander verbindet. Ich glaube, dieser Faktor ist dafür verantwortlich, dass ich in den vergangenen Jahren bei den Wettkämpfen eine große innere Stabilität hatte.“

Das heißt, das Studium hilft ihnen sogar beim Sport?

Stehlik: „Ja, man hat zwei verschiedenen Lebensbereiche, aus denen man Erfolgserlebnisse rekrutieren kann. Klar ist, dass ich in beiden Bereichen hohe Ansprüche an meine Leistung stelle. Unterstützung ist gerade in ’dualen Karrieren’ sehr wichtig.“

Das Studium als regulierendes Instrument, das zur Leistungssteigerung beiträgt? Ein neues Modell für den Spitzensport?

Stehlik: „Studium und Sport sind mir gleich wichtig. Ich würde nicht soweit gehen und meine subjektiven Erfahrungen zum Modell erklären. Bei mir persönlich passt es hervorragend zusammen.“

Ihr Trainer sagte, Ihre Form sei jetzt wieder so gut, dass Sie ein Medaillenkandidat seien. Was war vorher los mit Ihrer Form?

Stehlik: „Ich habe mich gerade zu Beginn des Jahres auf das Studium konzentriert, jetzt hat das Trampolinturnen wieder Priorität, ganz klar. Vor allem im Bereich körperlicher Fitness habe ich nachgeholt, so dass nun mehr Stabilität da ist.“

Was für ein Typ Trampolinturner sind Sie?

Stehlik: „Mein Schwierigkeitsgrad liegt im Schnitt etwa unter den ersten Acht. In meinem Training wird immer sehr viel Wert auf die Haltungsnote gelegt. Natürlich ist auch die Technik ein zentraler Faktor, mir geht es jedoch darum, dass die Sprünge ruhig, elegant und harmonisch sind. Ich bin nicht so der kraftvolle Turner, der sich durch hohe Schwierigkeitsgrade auszeichnet.“

Sie engagieren sich als Aktivensprecher im DTB , was bewegt Sie dazu, diesen Extraaufwand zu betreiben?

Stehlik: „Es geht darum, unsere Sicht der Dinge, unsere Interessen zu artikulieren und einzufordern. Dieser Verantwortung versuche ich gerne gerecht zu werden.“

Hat dieses Engagement, sich nicht nur für Ihre Rechte und Belange einzusetzen, sondern auch für die Anderer, auch etwas mit ihrem Studium zu tun?

Stehlik: „Ich bin ein politischer Mensch, das erstreckt sich natürlich auch auf sportpolitische Fragen.“

Möchten Sie später unter Umständen in der Politik tätig sein?

Stehlik: „Schwer abzuschätzen, so wie sich im Augenblick meine Schwerpunkte im Studium entwickeln, würde ich mich gerne weiterhin wissenschaftlich mit politik-wissenschaftlichen Themen beschäftigen. Ein Ziel wäre es, in der Forschung und Lehre zu arbeiten.“

Die Trampolin-WM im Internet: www.wctrampoline2005.nl