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DTB für Jahn-Stadion in Berlin

27.06.2018 13:08

Der Deutsche Turner-Bund spricht sich eindeutig für die Beibehaltung des Namens Friedrich-Ludwig Jahn-Stadion in Berlin aus. Dies hat DTB-Vizepräsidentin Prof. Dr. Annette Hofmann in einem Schreiben an den Berliner Senator für Sport und Inneres Andreas Geisel mit Nachdruck deutlich gemacht.

Friedrich-Ludwig-Jahn Stadion | Bildquelle: picture alliance
Friedrich-Ludwig-Jahn Stadion | Bildquelle: picture alliance

Stellungnahme des DTB zur Namensgebung des Friedrich Ludwig-Jahn-Stadions Berlin

Die Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ vom 20. Juni 2018 hatte über einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Pankow in Berlin berichtet, sich für eine Umbenennung des Jahn-Sportparks einzusetzen. Die Linksfraktion der Versammlung hatte in ihrem Antrag Jahn als „Turnvater“ und „bekennenden Antisemiten“ bezeichnet und die Berliner Senatsverwaltung für Sport und Inneres mit der kritischen Prüfung der Namensgebung für das Stadion beauftragt.

In ihrem Schreiben an den Berliner Senator setzt sich die Vizepräsidentin des Deutschen Turner-Bundes Prof. Dr. Annette Hofmann für die Beibehaltung der Namensgebung ein. Sie bedauert die leider häufige Tendenz, bei oberflächlicher Betrachtung von Persönlichkeiten der Vergangenheit deren Aussagen und Handlungen nicht in ihrem historischen Kontext zu bewerten, sondern an heutigen Maßstäben zu messen. Dies sei auch bei Jahn häufig der Fall, obschon die Persönlichkeit von Jahn bereits hinreichend kritisch und wissenschaftlich, auch mit Unterstützung des DTB, beleuchtet werde. Sie verweist beispielhaft auf Gerd Steins vom Sportmuseum Berlin als profunden Kenner der Jahn-Biografie, der bei den Bürgern in Pankow sicher Aufklärungsarbeit leisten könnte, sowie auf die Jahn-Gesellschaft in Freyburg/Unstrut, die sich unter ihrem Vorsitzenden Dr. Josef Ulfkotte mit der kritischen Betrachtung der Persönlichkeit Jahns auseinandersetzt. Als weiteren Experten in dieser Sache nennt sie den Hamburger Sportsoziologen Dr. Hans Jürgen Schulke, der zuletzt eine zeitgenössische Betrachtung über Jahn veröffentlicht hat.

Ihr Hauptaugenmerk in der Befürwortung des DTB von Jahn als Namensgeber für Straßen, öffentliche Plätze sowie Turn- und Sporthallen richtet die DTB-Vizepräsidentin auf dessen Wirken als Begründer der heutigen Vereinsbewegung im Sport. Inzwischen sind in Deutschland über 90.000 Turn- und Sportvereine zu verzeichnen und das Vereinsmodell im Sport hat eine über 200 Jahre dauernde Beständigkeit. Mit der Errichtung des ersten Turnplatzes 1811 in der Berliner Hasenheide legte Jahn aus der Sicht des Deutschen Turner-Bundes den Grundstein für die zentralen Elemente des bis heute bestehenden Vereinssystems: freiwilliges, selbstorganisiertes und selbstfinanziertes Sporttreiben ohne gesellschaftliche Schranken. „Was 1811 als gesellschaftspolitisch revolutionär galt, ist heute selbstverständlicher Bestandteil bürgerschaftlichen Engagements“, bewertet die DTB-Vizepräsidentin die historische Dimension und verweist auch auf die demokratischen Strukturen, die hier früh eingeübt werden konnten. In der umfassenden Dokumentation „Als Vereine in Bewegung kamen“, die 2016 zum 200-jährigen Bestehen des ältesten Turnvereins, der Hamburger Turnerschaft von 1816 e.V., erschienen ist, spiegeln sich all diese Punkte wider.

In ihrem Schreiben an den Berliner Senator macht A. Hofmann ebenfalls deutlich, dass der Deutsche Turner-Bund besonders diese Leistung von Jahn in seinen Festveranstaltungen 2011 in Berlin zum 200-jährigen Gedenken an den Turnplatz in der Hasenheide in den Mittelpunkt gestellt hat. Und sie verweist auf das Internationale Deutsche Turnfest, zuletzt 2017 in Berlin, das eindrucksvoll bewiesen hat, welche vielseitige Bewegung sich aus dem Jahnschen Turnen von 1811 bis in die heutige moderne Zeit entwickelt hat: eine Bewegung für alle Altersklassen, Bevölkerungsschichten, Ethnien und Geschlechter, die auch im Ausland positiv zur Kenntnis genommen wird. „Auf diesen Anstoß von Friedrich Ludwig Jahn heben wir ab, wenn wir uns seitens des Deutschen Turner-Bundes weiterhin für die Bezeichnung von Straßen, Plätzen und Gebäuden mit dem Namen Jahn einsetzen. Diesen Hintergrund müssen wir deutlicher kommunizieren und Fehlinterpretationen vorbeugen“, so die DTB-Vizepräsidentin. Sie schließt ihr Schreiben an den Berliner Senator mit der eindringlichen Bitte, die Bezeichnung des Sportparks und des Stadions mit dem Namen Jahn zu bewahren und im Sinne der Argumentation des DTB zu begründen.

Zur grundlegenden Frage nach dem Verhältnis des DTB zu Jahn schließt sich A. Hofmann der Auffassung von DTB-Ehrenpräsident Rainer Brechtken an. Der führte in seiner Rede anlässlich einer Gedenkveranstaltung beim Internationalen Deutschen Turnfest 2017 am Jahn-Denkmal in der Berliner Hasenheide aus: „Kritischer Respekt und Achtung, aber keine naive Heldenverehrung. Wir, die Turnbewegung, müssen im Wissen um unsere Geschichte und unsere Fehler, auch als Teil der heutigen Gesellschaft die Zukunft gestalten.“ Zu dieser Thematik ist auch für das kommende Jahr 2019 eine Tagung des DTB zur Jahn-Rezeption in Zusammenarbeit mit der Jahn Gesellschaft in Planung.