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DTB-Präsident Hölzl fordert erhebliche Nachbesserung

22.03.2024 14:00

Kommentar zum Entwurf des Sportfördergesetzes und zur Gründung einer Sportagentur

Dr. Alfons Hölzl | Foto: Picture Alliance
Dr. Alfons Hölzl | Foto: Picture Alliance

"In den vergangenen Wochen ist intensiv über den Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zur Spitzensportförderung und zur Einrichtung einer Sportagentur diskutiert worden. Für uns, den Deutschen Turner-Bund, ist das Thema Sportförderung und unabhängige Sportagentur von immenser Bedeutung, hängt doch hiervon nicht nur der Erfolg des eigenen Spitzensports ab, sondern es steht auch die Vielfalt des gesamten im DTB betriebenen Sports damit in großem Umfang in Frage. Grundsätzlich begrüße ich es sehr, die Bundessportförderung auf eine gesetzliche Basis zu stellen. In Anbetracht der gesellschaftlichen Bedeutung des Sports und seinen Herausforderungen ist es angemessen, den Sport gesetzlich zu regeln. Der vorliegende Referentenentwurf zur Spitzensportförderung und Sportagentur bedarf jedoch erheblicher Nachbesserung, wenn der deutsche Sport international auf Spitzenniveau wettbewerbsfähig sein will und den Athletinnen und Athleten sowie ihren Trainerinnen und Trainern die bestmögliche Förderung zukommen soll. 
 
Im Reigen der öffentlichen Stimmen hat sich vor allem der organisierte Sport entsprechend kritisch zum Verfahren und zum Inhalt des Referentenentwurfs geäußert. Wir, der DTB, haben bei der konstruktiv-kritischen Würdigung mitgewirkt, teilen die geäußerte Kritik und unterstützen die unterbreiteten Verbesserungsvorschläge umfänglich. Aus Sicht des Deutschen Turner-Bundes sollten jedoch nachfolgende Punkte verstärkend bzw. ergänzend hervorgehoben werden: 
 

  • Die Zuständigkeit des Bundes für die Spitzensportförderung leitet sich aus der grundgesetzlichen Zuständigkeit dessen für internationale Angelegenheiten ab. Seit jeher ist es kraft Sachzusammenhangs anerkannt und gute Gepflogenheit, dass der Bund auch Förderzuständigkeiten im Bereich des Breitensports besitzt. Dies gilt aufgrund der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder, welche unberührt bleiben soll, jedoch nur soweit dem Breitensport Bundesrelevanz zukommt. Die Förderung für "Jugend trainiert für Olympia" und das weltweit größte Spitzen- und Breitensportevent, das "Internationale Deutsche Turnfest", sind dabei unstrittige Beispiele.  
    Grundsätzlich beschränkt sich die Sportförderung des Bundes nicht nur auf finanzielle Zuwendungen, wie den Themen "Zentrum für Safe Sport für den Leistungs- wie Breitensport" und "Entwicklungsplan Sport" leicht entnommen werden kann. Warum würde sich der Bund diesen wichtigen Themen annehmen, wenn er dafür keine Zuständigkeit hätte?  

    Ein Bundesgesetz für die Sportförderung muss die bundesstaatliche Sportförderung in Gänze abbilden – es darf kein Stückwerk werden – und sich damit im Rahmen seiner Zuständigkeit auf den Leistungssport und Breitensport erstrecken. Eine Übertragung der Entscheidungskompetenz über die Sportförderung im Breitensport auf die Sportagentur wird der Bedeutung des Breitensports mit Bundesrelevanz nicht gerecht, schafft keine Rechtssicherheit und ist deshalb abzulehnen! 

  • Der Referentenentwurf greift zudem weitere dringend gebotene sportpolitische Grundsatzentscheidungen nicht auf und überlässt diese der zu gründenden Sportagentur. Dabei steht vor allem die grundsätzliche Frage im Raum, welcher Leistungssport in Deutschland gefördert werden soll. Erfolgreiche Sportarten zu fördern, steht ebenso wenig zur Diskussion, wie die Förderung von Sportarten, welche Erfolgspotenzial haben. Damit ist jedoch die grundsätzliche Frage weder diskutiert noch entschieden, welchen Leistungssport wir in Deutschland fördern wollen. Aus Sicht des Deutschen Turner-Bundes kann die staatliche Sportförderung nicht losgelöst von der Verankerung des Sports in unserer Gesellschaft betrachtet werden. Welche innere Rechtfertigung gibt es ansonsten für die Leistungssportförderung durch die öffentliche Hand? Was bedeutet die viel beschworene Vorbildwirkung der Spitzenathletinnen und –athleten für unsere Gesellschaft, wenn die Verankerung in unserer Gesellschaft unberücksichtigt bleibt?  

    Eine, wie im Referentenentwurf skizzierte, Förderung lediglich im Sinne des Erhalts der Vielfalt des Sports, halten wir für nicht ausreichend. Diese Minimalförderung zur Existenzsicherung kann die Verankerung und die Vielfalt des Sports in Deutschland nicht stärken. Im Gegenteil: Die nahezu weltweite Einzigartigkeit unserer gesellschaftlichen Verankerung des Sports in der Vielfalt und in der Breite unterscheidet uns von anderen Nationen, sie ist von unbeschreiblichem Wert und ist somit bei der Sportförderung mit dem Ziel der Stärkung der Vielfalt unter Berücksichtigung der Verankerung in der Gesellschaft zu berücksichtigen! 

  • Der Referentenentwurf überlässt der zu gründenden Sportagentur weitere sportpolitische, strategisch Grundsatzentscheidungen. So gibt es ungenügende Vorgaben für das Stützpunktsystem. Der DTB erklärt seit Jahren, dass das derzeitige Stützpunktsystem für junge Bundeskaderathletinnen und -athleten den Anforderungen an einen sicheren und menschenwürdigen Spitzensport nicht gerecht wird und darüber hinaus dem Erfolg entgegensteht. Deshalb bedarf es im Sportfördergesetz dazu eine grundlegende Aussage, welche Lösungen ermöglicht. 

Vor dem Hintergrund der genannten Argumente wünsche ich mir, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen aus dem organsierten Sport ebenfalls, dass die Verantwortlichen des Bundesinnenministeriums mit dem Sport und den Ländern in einen neuen Dialog eintreten und gemeinsam einen Entwurf auf den Weg bringen, der den olympischen sowie den nichtolympischen Sport in Deutschland nach vorne bringt, dessen Wettbewerbsfähigkeit herstellt und auch die Vielfalt wirklich stärkt. Alles andere wären Rückschritte, die sich unsere Gesellschaft mit der enormen gesellschaftlichen Bedeutung des Sports nicht leisten sollte."

Dr. Alfons Hölzl