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Sprossenwand - Magazin im DTB

Sebastian Kocanda in seiner Traumrolle

02.09.2008 11:25

Das Freiwilliges Soziale Jahr im Sport am Beispiel der TG Schwalbach

Das Freiwillige Soziale Jahr im Sport ist eine Einrichtung. die vielen hilft: den jungen Menschen, die eine echte Erfüllung finden, und den Vereinen, die Unterstützung des Ehrenamtes erfahren.

Der nachfolgende Beitrag schildert die Situation in einem Verein am Beispiel der Turngemeinde Schwalbach im Main-Taunus-Kreis:

Bundeswehr? Nein, das kam für Sebastian Kocanda aus Schwalbach nicht in Frage. Eher Ersatzdienst. Aber dann erfuhr der heute 20Jährige, der schon mit drei Jahren bei der TG Schwalbach mit dem Kinderturnen begann und über Basketball zur Leichtathletik kam, dass es da noch eine andere interessante Variante gibt: Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Die klassischen Einsatzfelder des FSJ im Krankenhaus, in der Behindertenbetreuung und Seniorenpflege sind seit einigen Jahren um den Sport erweitert worden. Voraussetzung: Bei dem Freiwilligen Jahr im Sport muss die Betreuung von Kindern und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen. Und das war genau das Richtige für Sebastian, auch wenn es drei Monate länger geht als Bundeswehr oder Ersatzdienst. Am 1. September 2007 startete er nach dem Abitur bei seiner Turngemeinde Schwalbach mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr, leistete wöchentlich für ein Taschengeld von 300 Euro im Verein Übungsstunden unter eigener Regie, engagierte sich als Helfer für andere Übungsleiter und erledigte planerische und organisatorische Arbeiten in der Geschäftsstelle, fand dabei persönliche Erfüllung und wurde zu einem Gewinn für die Vereinsarbeit.

Ende August ging das Freiwillige Soziale Jahr des Sports, das von der Hessischen Sportjugend organisiert und betreut wird, für Sebastian Kocanda zu Ende. Er zieht eine zufriedene Bilanz, weil diese Zeit für ihn sehr hilfreich war, auch für sein künftiges Lehramtsstudium an der Universität in Frankfurt. Und die Leiterin der 1.200 (von insgesamt 1.600) Mitglieder zählenden Turnabteilung der TG Schwalbach, Gitta Schill, bilanziert: „Der Verein hat in vielerlei Hinsicht profitiert, was uns im Vorfeld noch gar nicht so klar war.“ Ohne den FSJ-ler kann sich Gitta Schill die Zukunft gar nicht mehr vorstellen. Deshalb trat der 19 Jahre alte Jonathan Siegfried, Handballer in der 1. Herren-mannschaft der TG Schwalbach (Bezirksliga B), am 1. September die Nachfolge von Sebastian Kocanda an, der ihn perfekt eingearbeitet hat.

Was macht ein FSJ-ler im Sport? Sebastian Kocanda hat akribisch Buch geführt und kommt zu dem Ergebnis, dass er 2.002 Arbeitsstunden in dem Jahr geleistet und 440 Kinder betreut hat, davon 300 in Kleinkindergruppen, die übrigen beim Gerätturnen, der Leichtathletik und bei Ballspielen. Sebastian Kocanda bringt in seiner FSJ-Jahresstatistik interessante Details zu Tage. Zwei Beispiele: Sein Stundenlohn lag bei 1,94805195 Euro, und mit „seinen“ Kindern hat er in den Übungsstunden 16 mal in der Woche gesungen, in seinem FSJ-Jahr also 608 mal. Und die Titel? „Alle Leute gehen jetzt nach Hause“, „Guten Tag sagt der Hund“ oder „Wer hat an der Uhr gedreht?“.

Sebastian Kocanda wirkte in seinem FSJ-Jahr als Übungsleiter beim Eltern-Kind-Turnen, beim Purzelturnen, in der Ballspielgruppe, bei der Leichtathletik und im Gerätturnen und kümmerte sich auch um die Internetseite des Vereins. Er sorgte dafür, dass bei der jüngsten Jahreshaupt-versammlung erstmals eine Powerpoint-Präsentation erfolgen konnte, begleitete als Premiere in der Vereinsgeschichte eine Leichtathletik-Jugendgruppe zu einem Landesturnfest und organisierte für die TG den „Kinderturnclub“, ein Serviceangebot des Deutschen Turner-Bundes im Nachwuchsbereich. Dabei spannt sich der Bogen von Bastelanleitungen, über Ernährungstipps bis hin zu einer Weihnachtsfeier oder dem Taffi-Fest, denn Taffi ist das Maskottchen der Aktion. Und fünf Mal stand auch eine Woche Fortbildung auf dem Programm, bei der Sebastian Kocanda eine Lehrprobe absolvieren musste und eine Übungsleiter-Lizenz erwarb.

100 Stellen für das Freiwillige Soziale Jahr im Sport gibt es derzeit in Hessen, auch in anderen Orten im Main-Taunus-Kreis, zum Beispiel in Marxheim oder in Kelkheim-Münster. Das Beispiel Schwalbach macht gewiss Schule, denn die Botschaft von Turnabteilungsleiterin Gitta Schill an andere Vereine lautet: „Es gibt nur positive Erfahrungen. So sind zum Beispiel durch die Präsenz des FSJ-lers bei uns im diesen Jahr keine Übungsstunden ausgefallen. Sebastian konnte alles auffangen.“ Dem ersten FSJ-ler in der Geschichte der TG Schwalbach, der auch schon zuvor als ehrenamtlicher Übungsleiter tätig war, hat es so gut gefallen, dass er sogar gerne weiter gemacht hätte. Aber der Nachfolger steht schon bereit, und das Fazit auch der Sicht der TG Schwalbach lautet – an einen Slogan des früheren Deutschen Sportbundes angelehnt – „Freiwilliges Soziales Jahr im Sport – für alle ein Gewinn“.

Walter Mirwald