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Team Gerätturnen

'Turnen ist unglaublich vielseitig'

09.09.2019 19:37

Karim Rida im Portrait.

Karim Rida| Bildquelle: DTB
Karim Rida| Bildquelle: DTB

Vielleicht hätte Karim Rida auch das Zeug zu einem guten Fußballer gehabt. Doch als Kind verspürte der heute 20-Jährige auf das Kicken irgendwann „keine richtige Lust mehr“. Längere Zeit hatte er es neben dem Turnen betrieben. Doch als zur vierten Klasse die Gelegenheit kam, ins Schul- und Leistungssportzentrum nach Berlin zu wechseln, da fiel dem Bewegungstalent die Entscheidung nicht schwer.

„Turnen ist unglaublich vielseitig“, schwärmt er. Wenn an einem Gerät mal etwas nicht klappt, gibt es Möglichkeiten, das auszugleichen. Doch wenn man sich den Werdegang des Sportlers anschaut, dann hat er schon vieles richtig gemacht.

Bei den Weltmeisterschaften in Stuttgart wird der Youngster sein Debüt bei einem internationalen Titelkampf der Aktiven geben. Für Außenstehende kam das überraschend. Doch der ehemalige Bundestrainer Andreas Hirsch hatte schon frühzeitig angemerkt, dass der erst seit diesem Jahr aus der Juniorenklasse herausgewachsene Rida eine Chance darauf haben könnte. Entsprechend hatte er ihm Mut gemacht. Dem Turner selbst fiel es schwer zu glauben, dass er schon zur Heim-WM bereit sein könnte für diesen großen Sprung. „Ich bin generell ein pessimistischer Typ“, sagt er. So richtig realisiert haben wird er seine Nominierung denn auch erst, „wenn ich vor Ort bin und vor der ersten Übung meinen Arm hebe“.

Internationale Erfahrungen hat er im Juniorenbereich schon einige gesammelt. Dabei, sagt Rida, „bin ich lange nicht besonders aufgefallen.“ Von seiner Mutter zum Kinderturnen geschickt, weil er „sehr aktiv“ war und „im Haus herumsprang“, sei er in der Sportschule lange nur „einem Kumpel hinterhergelaufen“, der wie er vom TSC Strausberg kam. Erst 2016 hatte er sich so weit entwickelt, dass er beim Deutschlandpokal den dritten Platz belegte und damit erstmals bundesweit auf sich aufmerksam machte. 2017 wurde der Sohn einer Deutschen und eines Marokkaners bei den nationalen Titelkämpfen seiner Altersklasse Mehrkampfmeister und sammelte auch noch Goldmedaillen an den Ringen und am Reck ein. Damit verdiente er sich einen Auftritt beim Europäischen Olympischen Jugendfestival im ungarischen Györ. Dieser „erste große Wettkampf“, den er mit dem Team und an den Ringen jeweils auf dem vierten Platz abschloss, faszinierte ihn sehr.

Im Jahr darauf folgte die Teilnahme an der Junioren-Europameisterschaft in Glasgow, wo Rida selbst über eine Silbermedaille am Barren staunen durfte. „Das ist nicht unbedingt mein bestes oder mein Lieblingsgerät“, erklärt der Turner. Aber während andere höhere Schwierigkeitsnoten aufweisen konnten, überzeugte er die Kampfrichter mit einer sauberen und stabilen Darbietung.

Genau dies hat den Athleten mit einer guten Übersicht bei Längsachsendrehungen zu einem Kandidaten für Großereignisse gemacht: dass er das, was er kann, an allen Geräten akkurat und sicher präsentiert. Das Debüt bei den „Großen“ verlief dennoch nicht problemlos. Beim DTB-Pokal im März in Stuttgart merkte man ihm die Nervosität an. „Beim ersten Mal kann das passieren“, betont Rida, der Anfang des  Jahres von seinem vorherigen Trainer Brian Gladow zu Robert Hirsch gewechselt war. Schließlich sei das Hineinwachsen in immer größere Aufgaben ein Prozess. „Aber seitdem bin ich fitter geworden und hoffe, ich habe es besser im Griff.“ Auch wenn Fehler im Turnen nie auszuschließen sind.

Zum Durchbruch kam es Anfang August bei den deutschen Meisterschaften in Berlin. Da sicherte sich Rida hinter den beiden Routiniers Andreas Toba und Marcel Nguyen die Bronzemedaille im Mehrkampf und wurde so auch öffentlich zum heißen Anwärter auf einen WM-Start. Er selbst habe sich damit aber erst nach der zweiten Qualifikation auseinandergesetzt, als er seine Leistung von den „Finals“ mit einem zweiten Platz bestätigte und danach schon für Stuttgart vornominiert wurde. „Ich freue mich, dass ich das miterleben darf“, sagt der zurückhaltende junge Mann. Die Älteren im Nationalteam hätten ihn „super aufgenommen“. Anfangs sei es „etwas komisch“ gewesen, kannte er die Hälfte der Mannschaft doch nur von den wenigen Lehrgängen, an denen er bereits seit der JEM teilnehmen durfte. „Und ich bin ein eher ruhiger Typ“, der immer eine Weile braucht, um sich in neuer Umgebung integriert zu fühlen. Doch mittlerweile sei er gut in die Mannschaft eingebunden. 

Sollte es so weit kommen, muss Rida sich aber wohl trotzdem erst einmal auf die Schule konzentrieren. Im Frühjahr steht für ihn das Abitur an. Die neunte und zehnte Klasse hatte er damals auf drei Jahre gestreckt. Das entlastete ihn, der noch immer jeden Tag von zu Hause aus je eine Stunde hin und zurück zur Schule fährt, in einer nicht ganz einfachen Entwicklungsphase.

Doch erst einmal steht die WM an, stellt sich Rida dort seiner bislang größten Herausforderung. Ob er er im Fußball auch so weit gekommen wäre, weiß man nicht. Aber weder daran noch an die besseren Verdienstmöglichkeiten hatte er damals bei seiner Entscheidung gedacht. Ausschlaggebend war für ihn nur, dass Turnen viel mehr Spaß macht.