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Kinderturnen | Bildquelle: Roessler

 

Junge Menschen fürs Engagement im Sportverein gewinnen

Den Wandel im Ehrenamt spüren einige Vereine bereits hautnah. Um auch zukünftig erfolgreich zu sein, müssen sich die Vereine dem Konkurrenzdruck stellen und die richtigen Schlüsse ziehen. Flexibilität und eine gute, direkte Kommunikation spielen bei der Ansprache von jungen Engagierten eine große Rolle.

Autor: Pascal Grüne

Der Konkurrenzdruck nimmt zu

Es scheint manchmal, dass die Bereitschaft sich in einem Verein zu engagieren zurückgeht. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Oktober 2019 weist allerdings darauf hin, dass der Anteil der freiwillig Engagierten in den letzten 30 Jahren stetig zugenommen hat. Besonders die Geburtenjahrgänge zwischen 1982 und 1999 engagieren sich mehr als die vorigen Generationen in diesem Alter. Diese Altersgruppe der heute 22- bis 39-Jährigen ist jedoch selten in Führungspositionen der Vereine zu finden.

Ein Grund könnte die Weiterentwicklung des Engagement-Angebots in diesem Jahrtausend sein. Es gibt heute viel mehr Möglichkeiten sich in einer Initiative oder einem der unterschiedlichsten Vereine oder Einrichtungen zu engagieren. Der Sportverein konkurriert in dieser Altersgruppe nicht nur mit anderen Sportvereinen, sondern verstärkt auch mit Bewegungen wie beispielsweise Fridays for Future. Es ist daher ein Mythos zu glauben, dass die heutige Jugendgeneration sich nicht engagieren möchte.  

Dieser Konkurrenz müssen sich die Vereine in Deutschland stellen. Das beginnt im ersten Schritt schon mit dem Bewusstsein der Situation und führt dann zum Entwickeln einer individuellen Strategie.
  

Spaß ist das wichtigste Motiv für eine freiwillige Tätigkeit


Wenn Sportvereine sich nun auf die Suche nach neuen Engagierten begeben, spielt die erfolgreiche Ansprache der individuellen Motive des Freiwilligen eine entscheidende Rolle. Leider gibt es kein Patentrezept. In Vereinsberatungen frage ich die Vereinsvertreter*innen in meinen Workshops gerne nach den Motiven für ihr Engagement. Häufig genannt werden dann der Spaß an der Tätigkeit und das Bewusstsein etwas Gutes für "seinen/ihren" Verein zu tun. Interessanterweise scheint Engagementbereitschaft in der Familie zu liegen bzw. von der Vorbildrolle der Eltern an die Kinder weitergegeben zu werden.

 


Zeichnung: Katrin Jaenicke

In die Perspektive des anderen hineinversetzen

Auch wenn die individuellen Motive schwer vorherzusehen sind, hilft es, sich als Vereinsvertreter*in in die verschiedenen Rollen bzw. Lebensabschnitte hineinzuversetzen. Eine Person im Ruhestand hat andere Motive als ein/e Schüler*in. Senior*innen suchen wahrscheinlich eher eine sinnstiftende Aufgabe, die das Gefühl vermittelt, gebraucht zu werden und etwas Gutes zu tun. Hier spielen auch die Fähigkeiten aus dem Berufsleben sowie die eigenen Hobbies und Neigungen eine Rolle. Bei Schüler*innen sieht dies anders aus. Sie haben weniger Lebenserfahrung und ihr Alltag ist strikter vorgegeben und durch feste Abläufe geprägt. Die Motivation sich in einem Sportverein zu engagieren könnte daher darin liegen, sich auszuprobieren und ohne größere Konsequenzen erste Verantwortung zu übernehmen. Eine Tätigkeit als Übungsleitende*r bessert zudem das Taschengeld auf. Die neue Tätigkeit im Verein muss zudem in den zunehmend voller werdenden Terminkalender passen. Eine befristete Aufgabe oder eine Teamlösung können hier helfen.

Formate für Jüngere sollten deshalb ... 

  • möglichst flexibel und niederschwellig sein
  • Verantwortung und Budget für eigene Projekte übertragen
  • einen erfahrenen Mentor aus dem Verein zur Seite stellen (unterstützen und nicht vorgeben)
  • ohne Druck ausprobieren lassen – es gibt kein Scheitern im Ehrenamt! 
Zeichnung: Katrin Jaenicke

Zahlt sich das Ausbilden von jungen Menschen aus?

Bei meiner Arbeit mit den Vereinen fragen mich manchmal Vereinsvertreterinnen und Vereinsvertreter, grade in ländlichen Gegenden, ob es sich überhaupt lohnt, Jugendliche an die Vereinsarbeit heranzuführen. Diese würden doch sowieso in ein paar Jahren wegziehen. Meine Meinung dazu ist, dass es sich nicht nur für den Verein sondern sogar gesamtgesellschaftlich auszahlt. Der Verein bekommt für ein paar Jahre einen motivierten Helfenden, was wahrscheinlich positive Auswirkungen auf den Sportbetrieb im hier und jetzt hat. Gleichzeitig bildet er damit eine junge Fachkraft aus und ermöglicht den Einstieg ins Engagement. Diese junge Person lernt das Geben und Nehmen in der Vereinswelt kennen, entwickelt sich persönlich weiter und wird am neuen Wohnort wahrscheinlich wieder in einen Sportverein eintreten und sich dort engagieren. So profitiert das ganze System und auch in ländlichen Regionen lassen sich Menschen nieder, die anderswo ausgebildet wurden und sich dann in diesem Verein wieder einbringen wollen. 
 

Mit der richtigen Ansprache zum Erfolg

Eine gute und persönliche Ansprache bei der Rekrutierung neuer Engagierter ist der Schlüssel zum Erfolg. Hier sollten Vereine viel häufiger eine/n zentralen Ansprechpartner*in für die Belange der Ehrenamtlichen benennen und nichts mehr dem Zufall überlassen.  

Um die jüngere Zielgruppe anzusprechen, muss sich die Vereinskommunikation auf die Kanäle verlagern, die auch von den Jugendlichen genutzt werden. Das Smartphone und verschiedene soziale Netzwerke sind die zentralen Orte der heutigen Generation. Das Wissen der jungen Engagierten kann für zukünftige Digitalisierungsprozesse im Verein genutzt werden. Hinzu kommen die wachsenden Möglichkeiten sich auch digital und damit ortsunabhängig im Verein einzubringen.

Möglichkeiten mit der Zielgruppe in Kontakt und Austausch zu kommen sind beispielsweise:

  • zeitlich befristete Projektteams mit Interessierten 
  • Spezielle Themenworkshops oder -abende
  • Ideenbörse entwickeln (ich kann ... und möchte das im Verein einführen) 
  • Helferdatenbank mit Interessen der Mitglieder aufbauen
  • Die Jahreshauptversammlung als Austauschplattform nutzen

Wenn sich Vereine den Herausforderungen stellen und diese Chancen erfolgreich nutzen, wird es gelingen, junge Menschen fürs Ehrenamt zu begeistern und damit den Verein auch für die Zukunft gut aufzustellen. 

Quelle: Ü-Magazin 3/2021 Meyer & Meyer Verlag